Neue (Bewusstseins-) Form: freiwerden

Das Werk Neue Form © P. Hauf 2007-2024

reine kreativität

Ich bin [nicht] Nichts im Sinne der Leerheit, sondern das schöpferische Nichts, das Nichts, aus welchem Ich selbst als Schöpfer Alles schaffeMAX STIRNER, Der Einzige und sein Eigentum, 1844

— Das ist die Kunst, frei zu sein. —

Eine r e i n e Kreativität entspricht rundweg der Konzeption der Reinheit von Walter Benjamin, wie sie vom Herausgeber der italienischen Ausgabe der Gesammelten Werke Benjamins, Giorgio Agamben, 80 Jahre nach diesem rechts- und geschichtsphilosophischen Autor und Kunsttheoretiker anhand dessen Thesen in dem Essay Zur Kritik der Gewalt (1921) im Hinblick auf den dort "wesentlichen Terminus technicus" (Agamben 7, S. 73) — "rein" — verstanden und expliziert wird:

"Im Januar 1919, also etwa ein Jahr vor der Abfassung des Essays, sehen wir Benjamin in einem Brief an Ernst Schoen, der Motive aufnimmt und weiterentwickelt, die er zuvor schon in einem Aufsatz an Stifter ausgearbeitet hatte, mit großer Sorgfalt dasjenige bestimmen, was er unter Reinheit versteht, nämlich 'dass es ein Irrtum sei, eine in sich bestehende nur der Bewahrung bedürftige Reinheit irgendwo vorauszusetzen [...]. Die Reinheit des Wesens ist niemals unbedingt oder absolut, sie ist stets einer Bedingung unterworfen. Diese Bedingung ist verschieden je nach dem Wesen um dessen Reinheit es sich handelt; niemals aber liegt diese Bedingung in dem Wesen selbst. Mit anderen Worten: die Reinheit jedes (endlichen) Wesens ist nicht von ihm selbst abhängig [...]. Für die Natur ist die ausserhalb ihrer selbst liegende Bedingung ihrer Reinheit die menschliche Sprache.' (Benjamin, Briefe; Frankfurt am Main: Suhrkamp 1966, S. 206)" [Siehe weiters zu den grundsätzlich verschiedenen Ansätzen der menschlichen Sprache, nämlich denotativ und konnotativ, den Text rechts]

Agamben führt weiter aus (und ich zitiere in voller Länge, da an dieser Stelle des Buches "Ausnahmezustand" — eine Lektüre, der ich auch den Aufschluß über den Grund meines wachsenden Unbehagens gegenüber der Fahnengrafik "Schwarz-Rot-Gold von 1848 (bzw. 1815)" verdanke, die in semantischer Hinsicht wegen der in ihr gegen die Regeln der Heraldik getroffenen Gewalt-Konstellation, dem Ineinanderschieben der die historischen Komponenten der Rechtsordnungen des Okzidents, auctoritas und potestas, das Dispositiv eines Ausnahmezustands par excellence bezeichnen, da sie sich hier gegenseitig indeterminieren — die in dem Werk Neue Form darzustellende Lösungsidee entstand): "Diese nicht substantielle, sondern relationale Konzeption der Reinheit ist für Benjamin so wesentlich, dass er im Essay von 1931 über Kraus noch einmal schreibt, 'nicht Reinheit' stehe 'im Ursprung der Kreatur, sondern die Reinigung' (Benjamin, Karl Kraus; 1931, S. 365). Das bedeutet, dass die Reinheit, um die es im Essay von 1921 geht, keinen substantiellen Charakter hat, der zur gewaltsamen Aktion an sich gehört — dass, mit anderen Worten, die Differenz zwischen reiner Gewalt und mythisch-rechtlicher Gewalt nicht in der Gewalt selbst beheimatet ist, sondern in ihrer Beziehung zu etwas ausser ihr. Was diese äussere Bedingung ist, wird zu Beginn des Essays deutlich ausgesprochen: 'Die Aufgabe einer Kritik der Gewalt lässt sich als Darstellung ihres Verhältnisses zu Recht und Gerechtigkeit umschreiben.' (Benjamin, Zur Kritik der Gewalt) Auch das Kriterium der 'Reinheit' der Gewalt läge folglich in ihrer Beziehung zum Recht (das Thema Gerechtigkeit ist im Essay tatsächlich nur in Bezug auf die Zwecke des Rechts behandelt).

"Benjamins These lautet, während die mythisch-rechtliche Gewalt immer Mittel zum Zweck sei, sei reine Gewalt nie einfach das — berechtigte oder unberechtigte — Mittel zum (gerechten oder ungerechten) Zweck. Die Kritik der Gewalt bewertet nicht die Gewalt in bezug auf die Zwecke, die sie als Mittel verfolgt, sondern sie sucht 'nach einem Kriterium, einer Unterscheidung in der Sphäre der Mittel selbst, ohne Ansehung der Zwecke, denen sie dienen' (Ebd.).

"Hier zeigt sich das Thema — das im Text zwar nur für einen Augenblick, aber doch lang genug aufscheint, um die gesamte Schrift zu erhellen — der Gewalt als 'reinem Mittel', d. h. als Form einer paradoxen 'Mittelbarkeit ohne Zwecke': einem Mittel also, das, auch wenn es ein solches bleibt, unabhängig von den Zwecken betrachtet wird, die es verfolgt. Das Problem ist dann nicht, gerechte Zwecke auszumachen, sondern vielmehr 'eine Gewalt anderer Art' zu entdecken, 'die dann freilich zu jenen Zwecken nicht das berechtigte noch das unberechtigte Mittel sein könnte, sondern überhaupt nicht als Mittel zu ihnen, vielmehr irgendwie anders sich verhalten würde' Ebd.).

"Wie ist dieser irgendwie andere Bezug zu einem Zweck beschaffen? Es dürfte angebracht sein, auch auf den Begriff eines Mittels, das 'rein' ist, die Betrachtungen zu beziehen, die wir soeben in Bezug auf die Bedeutung dieses Terminus bei Benjamin angestellt haben. Das Mittel verdankt seine Reinheit nicht einer spezifisch intrinsischen Eigenschaft, die es von rechtlichen Mitteln unterschiede, sondern seiner Beziehung zu ihnen. (...)" (Agamben 7, S. 73f)

 

Das Werk Neue Form kündet — gerade weil es den Blick auf die "Durchbrechung [des] Umlaufs im Banne der mythischen Rechtsformen [— die Gewalt als rechtsetzende und rechterhaltende —], [die] Entsetzung des Rechts samt den Gewalten, auf die es angewiesen ist wie sie auf jenes, zuletzt also der Staatsgewalt" (Benjamin 1, S. 64) freigibt und dieses ent-setzende Ereignis in einem reinen, von einem tantrischen, d. h. eben offenen, hinsichtlich der metaphysischen Tradition des Abendlandes neuartigen Zusammenhalt geprägten Werk zu manifestieren vermag — von einer solch freien Kreativität, wie sie dann der "Gewalt als 'reinem Mittel', d. h. als Form einer paradoxen 'Mittelbarkeit ohne Zwecke'" (Agamben, s. o.) entspricht ... und nicht einer unbedingten "individuellen Kreativität", die immer das Fressen derjenigen Gewalt bleiben wird, "die Mittel zur Setzung des Rechts ist, den eigenen Bezug zu diesem nie entsetzt und so das Recht als Macht inthronisiert, das 'notwendig und innig an sie gebunden bleibt' (Benjamin 1)" (Agamben 7, S. 75)

 

Es kommt also nicht von ungefähr, dass das Werk Neue Form — um buchstäblich jeden Preis — von Juristen gestohlen bzw. enteignet werden, die Unterschlagung der Original-Werkdatei rechtsmissbräuchlich nach CDU-Verwaltungsrichter-Gutsherrenart gedeckt, mit falschen Siegeln niedergeknutet und unter falschen Etiketten verdreht, sowie schließlich gänzlich annektiert werden soll.

 

"(Reine Gewalt) exponiert und unterbricht die Verbindung von Recht und Gewalt und kann so letztlich nicht als Gewalt erscheinen, die regiert und ausübt ['die schaltende'], sondern als Gewalt, die rein handelt und manifestiert ['die waltende']" (Ebd.) Bei Benjamin klingt das direkt wie eine Lanze für die freie Kreativität der Kunst (oder, wie Alain Badiou es zu Beginn des neuen Jahrhunderts sagt, für die affirmative Kunst): "Ist aber der Gewalt auch jenseits des Rechtes ihr Bestand als reine unmittelbare gesichert, so ist damit erwiesen, dass und wie auch die revolutionäre Gewalt möglich ist, mit welchem Namen die höchste Manifestation reiner Gewalt durch den Menschen zu belegen ist. Nicht gleich möglich noch auch gleich dringend ist aber für Menschen die Entscheidung, wann reine Gewalt in einem bestimmten Falle wirklich war. Denn nur die mythische, nicht die göttliche, wird sich als solche mit Gewissheit erkennen lassen, es sei denn in unvergleichlichen Wirkungen, weil die entsühnende Kraft der Gewalt für Menschen nicht offen zutage liegt. Von neuem stehen der reinen göttlichen Gewalt alle ewigen Formen frei, die der Mythos mit dem Recht bastardisierte. Sie vermag im wahren Kriege genauso zu erscheinen wie im Gottesgericht der Menge am Verbrecher. Verwerflich aber ist alle mythische Gewalt, die rechtsetzende, welche die schaltende genannt werden darf. Verwerflich auch die rechtserhaltende, die verwaltete Gewalt, die ihr dient. Die göttliche Gewalt, welche Insignium und Siegel, niemals Mittel heiliger Vollstreckung ist, mag die waltende heissen." (Benjamin1, S. 64)

 

Die selbsternannten Katechonten des Abendlandes, die Aufhalter der Zeit und damit der Evolution — der deutsche Rechtsphilosoph und, mit einem schönen Wort von Giorgio Agamben, Apokalyptiker der Gegenrevolution, Carl Schmitt, sah sich als einen solchen (Vgl. "Katechon" und "Anarch", von Bernd A. Laska), und der ehemalige CDU-Verwaltungsrichter Dr. Theo Zwanziger beliebt sich auch als ein solcher zu gerieren, während er sich die Taschen mit dem dringlich aufgehaltenen und konfiszierten Gut per Neuauflage aus falscher Hand vollmacht, ganz wie der jahrzehntelange Vorsteher der Heiligen Inquisition und heutige Papst aus Deutschland auch in dieser Rolle sein Bestes zu geben versucht, während er sogar von der deutschen Bischofskonferenz für seine jedweder Kritik an der gängigen Wirtschaftsjuristenkleptokratie baren Enzykliken kritisiert wird — entpuppen sich freilich im Zeitalter einer sich vollendenden Weltgesellschaft als der Antichrist, der sie, jeder für sich, selbst sind: "Was ist das Grausige an ihm? Warum ist er mehr zu fürchten als ein mächtiger Tyrann...? Weil er Christus nachzuahmen weiss und sich ihm so ähnlich macht, dass er allen die Seele ablistet." (Carl Schmitt in seiner frühen Schrift Theodor Däublers "Nordlicht", S. 61)

Die von Paulus, dem apostolischen Berichterstatter, als die komplementären Wesensmerkmale des von ihm erstmals, im 2. Abschnitt seines 2. Briefes an die Thessalonicher, genannten Katechon, dem Aufhalter des Widersachers Christi (Antichrist), beschriebenen Eigenschaften haben sich — zumindest im Falle Zwanziger und der vom Verfasser bis in die letzten Winkel beweiskräftig ausgeleuchteten Rolle, die dieser CDU-Verwaltungsrichter bei der Fahnenmotiv-Zensur-, -Raub-, -Verschiebungs- und Betrugsaffäre spielt — längst auf die falschen Aufhalter verschoben, die also jetzt selbst diese Zeichen des Antichrist tragen: "er setzt sich [bzw. seinen Verbandskuckuck] an die Stelle Gottes, und er versteckt sich [...] hinter einer täuschenden Fassade" (nach Bernd A. Laska, S, 37)

 

Wo sich solcher Filz von Recht und Gewalt nicht nur als nahezu unauflösbar erweist, sondern seine mit den Mitteln der Kunst vorgeschlagene, auf dem Schachbrett der Geschichte (selbst wenn es für alle Zeiten verborgen bleiben sollte) bereits siegreiche, individuelle Auflösung heimtückisch und mit feiger Übermacht meuchelt, hat sich das politisch-rechtliche System bereits wieder in eine tödliche Maschine verwandelt.

»wahrhaft politisch ist ...

... nur solches Handeln, das den Bezug zwischen Gewalt und Recht rückgängig macht ..." (Giorgio Agamben 7, S. 104)

Das ist die kulturkreativ- politische Identität der Fahne Neue Form, die das Offen-sein ausstellt, die die Gemeinsamkeit der Kulturkreativen ist: Das Frei-sein.

Es leuchtet von daher ein, dass sie von jener Übermacht der Repression und der Alten Ordnung, zusammen mit der ureigenen Identität ihres Schöpfers (so ist das in so einem Fall), entrissen werden soll bzw. entrissen wurde.

Sie muss aus dem Maul des gewalttätigen und totalitären Drachens zurück geholt werden.

 

"holzwege"

"Holz lautet ein alter Name für Wald. Im Holz sind Wege, die meist verwachsen jäh im Unbegangenen aufhören.

Sie heissen Holzwege.

Jeder verläuft gesondert, aber im selben Wald. Oft scheint es, als gleiche einer dem anderen. Doch es scheint nur so.

Holzmacher und Waldhüter kennen die Wege. Sie wissen, was es heisst, auf einem Holzweg zu sein."

(Heidegger 5, Frontispiz)

 

fahnenbetrug

"Nichts", so sagte einst ein Mann aus Madagaskar, "fürchte ich mehr als eine falsche Fahne."

Damit stellt sich der Feind dort auf, wo er nichts verloren hat, aber am gefährlichsten ist; eine falsche Fahne ist so gesehen nichts anderes als sein Trojanisches Pferd.

In diesem Fall ist es also die Jetzt-Zeit (Walter Benjamin meinte m. E. mit diesem Wort dasselbe, was Generationen später Steven Harrison mit der Formel "das, was als Nächstes kommt", zu sagen versuchte), in der und durch die eine tatsächlich neue, zugleich deutsche und nicht-deutsche, das heisst auch die Freiheit an sich einbeziehende Identität aufgemacht wurde, die er, kaum seinem trojanischen Pferd entstiegen, tötet.

Ohne diese aber wird alles Nichts sein. Und noch dazu das falsche, das absolute Nichts.