Die alte Fahne Schwarz-Rot-Gold von "1848" pfercht — regelwidrig und als Beschwörung eines archaischen Fetischs — die mythischen "deutschen" Farben der auctoritas (die "Ausnahme" Rot= das anomisch-metarechtliche Element ...) und der potestas (die heterochrome "Regel" Schwarz/Gold= das normativ-rechtliche Element der "doppelten Struktur der Rechtsordnung des Okzidents") zum Bild des dunklen Dispositivs des Ausnahmezustands, des Justitiums, zusammen.
"(...) Wenn der Ausnahmezustand, in dem [diese beiden die doppelte Struktur der Rechtsordnung des Okzidents konstituierenden Elemente] sich verbinden und indeterminieren, die Regel wird, dann transformiert sich das politisch-rechtliche System in eine tödliche Maschine." (Agamben 7, S. 101f)
die maske der falschheit
Der Fall ist noch etwas komplexer, als man anhand der rechts beschriebenen Fakten ohnehin denken möchte. Hinzu kommt nämlich noch, dass sich die Welt im allgemeinen - so in der Regel auch in Deutschland - lieber betrügen lässt, als aufgeklärt zu werden.
Eine Maske der Falschheit zu sehen, von der sie nur glaubt, dass mit ihr für die eigenen Interessen gearbeitet wird, ist ihr offenbar tausendmal lieber, als einzusehen, dass es sich um den "unsichtbaren Souverän" handelt, "der uns anblickt hinter den stumpfsinnigen Masken der Mächtigen, die uns, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, in seinem Namen regieren." (Zitat: Giorgio Agamben 1, S. 17)
Hier wird deutlich, wie groß der Stellenwert der Glaubwürdigkeit - und folglich die Notwendigkeit, die Welt gerade in dieser Hinsicht zu beschuppen - bei all jenen ist, die vom status quo auf Kosten der Allgemeinheit profitieren.
Um was oder wen es sich bei solch einem unsichtbaren Souverän namentlich in Deutschland genau handelt, soll die hier präsentierte Arbeit genau benennen.
doppelseitige einheit als die höchste geste der philosophie
"Vielleicht ist dies die höchste Geste der Philosophie: nicht so sehr DIE Immanenzebene denken, sondern zeigen, dass sie da ist, ungedacht in jeder Ebene. Sie auf eine Weise denken, als das Aussen und Innen des Denkens, das nicht-äussere Aussen oder nicht-innere Innen" (Deleuze/Guattari, S. 69)
briefing | simultaner entsatz und neufassung der farben Schwarz, Rot, Gold in einem kohärenten feld
Die deutsche Fahne "SchwarzRotGold von 1848" hat an sinnloser Totalität mehr zu bieten, als mit dem ihr zeitlebens angedichteten Nimbus eines "parlamentarisch-demokratischen" Leitmotivs je zu vereinbaren gewesen wäre:
Sie ist von Anfang an ein äusserst raffinierter, zwar mit den Mitteln, aber gegen die Regeln der Heraldik vorgenommener geschichtspolitischer, heute noch bei der deutschen Bevölkerung höchst respektierter, d. h. in der Regel (deren Ausnahmen wir bald kennenlernen werden) nicht durchschauter Schwindel des offiziell 1806 erloschenen "Heiligen römischen Reichs deutscher Nation", einer sich fälschlich als "christlich" bezeichnenden Theokratie mit Totalbezug auf einen alttestamentarischen — womöglich nicht völlig fiktiven, aber wenn, dann als Luzifer bekannten oder unbekannten, jedenfalls Deutschland in geistiger Hinsicht völlig beherrschenden, keineswegs schöpferisch kreativen, sondern bis zur Zerstörung seines eigenen Gegenstands reduktionistischen — "HERRN DER GEISTER".
Eine mehr oder weniger klandestine, als Pseudo-Trikolore (welche in Wirklichkeit nur aus zwei, zum Teil eben heterochromen Elementen besteht) sowohl Augen als auch Verstand beschuppende "Wiedergeburt" in den alten Farben dieses römisch-katholischen Habsburger-Reichs, das sich bekanntlich nicht erst zu diesem Zeitpunkt in Konkurrenz zu — bzw. in erbitterter Feindschaft mit — dem protestantischen (bzw. freimaurerischen) Preussenreich der Hohenzollern befand (— auf der ersten, nach den Wirren und Kämpfen des Vormärz 1848 in der Paulskirche zu Frankfurt am Main von der erstmals zusammengetretenen Nationalversammlung als "Farben der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung" ... wie noch bei ihrer dritten Wiederaufnahme genau hundert Jahre später, 1948, der SPD-Abgeordnete Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat der Besatzungszonen hoffnungsgestimmt bzw. irrtümlich meinen sollte ... inaugurierten Fahne waren die Worte "Wiedergeburt Deutschlands" eingestickt —).
Es handelt sich also um die "Farben" der "furchtbaren Theokratie, unter der die Deutschen seit tausend Jahren zu leiden haben" (wie es der dennoch keineswegs, wie man nun glauben könnte, dem Protestantismus zugeneigte, bekennende, von seinem Freund Hermann Hesse als "anarchistisch" eingeschätzte, gleichwohl irgendwann zum Katholizismus konvertierte Christ Hugo Ball anno 1919 einmal formulierte — mithin zu einem Zeitpunkt, da diese "Farben" nach der Intervention der preussischen Militärregierung gegen dies Nationalversammlung im Jahr 1849 bzw. nach dem preussischen, dann unter den Farben SchwarzWeißRot vorgetragenen Reichs-Intermezzo 1871-1918 neuerlich von einem nun auf den Namen Weimarer Republik getauften Ausnahmezustands-Regime zu dessen staatlichen Hoheitszeichen inauguriert wurden), die hier zu einer scheinbaren, vor allem unter dem zusätzlich applizierten und schwer in die Irre führenden 3-Stufen-Slogan "Einigkeit und Recht und Freiheit" leicht mit einer Art dialektisch-transzendentalem bzw. parlamentarisch-demokratischen Differentialgetriebe oder zumindest einer Pattsituation (zwischen den zwei klassischen Elementen der staatlichen Rechtsordnung bzw. der Rechtsordnung des Okzidents, auctoritas - Rot, und potestas - Schwarz/Gelb) zu verwechselnden, gegenseitigen Indeterminierung von biopolitischer Ausnahmegewalt (Rot) und juridisch-institutionellem Gewalt- bzw. Machtmodell (Schwarz/Gelb), ineinandergesteckt wurden ...
... mit anderen Worten zu einer — und hier wird die erwähnte Scheinbarkeit aus dem Blickwinkel der Mächtigen zu einer realen Größe bzw. autoritär und äusserst lukrativ instrumentalisierbar, während es die ihr und der politisch-juridischen Fiktion, mit der sie im Verborgenen, nämlich genau auf dem "verborgenen Kreuzpunkt zwischen dem juridisch-institutionellen Modell und dem biopolitischen Modell der Macht" (Agamben 2, S. 16), den diese Fahne also in Wirklichkeit für den geschulten Verstand hinter bzw. in ihrer phänomenalen Bauernbuntheit darstellt, arbeitet, Unterworfenen, die Unterdrückten anscheinend gerade aufgrund ihrer Vorprägung mit den zahlreichen, romantischen, archaischen und "demokratischen" Mythen, die sich sowohl um wie auch in dieser Fahne und ihren Farben ranken bzw. "proaktiv" durch eine Gruppe, die sich "die Kommunikationsherrscher" nennt, darum gestrickt werden, nie wahr haben wollen — Abbildung des "dunklen Paradigmas des Ausnahmezustands im alten römischen Recht" (welches der italienische Forscher und Rechtsgelehrte G. Agamben erst 2003 in einer spektakulären Untersuchung — Ders. 7 — mit dem Begriff des iustitium einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte) ...
... und unter diesem Aspekt schließlich zu einer geradezu unübertrefflichen Darstellung des "imperium in imperio" (hier: Rot in Schwarz/Gelb), lateinisch für "absolute Herrschaft, Souveränität, Kontrolle, Regierung", eben das Imperium und das darin schaltende imperium eines absolutistischen Souveräns wird.
Es bleibt, was die deutsche Geschichte anbelangt, ein überdeterminierter Rest, nämlich die während des Mittelalters vorgenommene Beschlagnahme der Farbe Rot "in all ihren Schattierungen" durch die — römisch-katholische — Reichskirche per Michaels-Dekret "Rot ist die Farbe Michaels ..."; der unterschwelligen, von der gesamten metaphysischen Tradition des Abendlands genährten sowie in deren Auftrag mit allen Mitteln auf die ihr hier verliehene Bedeutung eingeschränkten Wirkmacht des monochromen Rot, das also durch jene "furchtbare Theokratie" — welche sofort zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs des "unerhörterweise" ebenfalls unter der Farbe Rot aufgetretenen Ostblocks wieder aus der Lauerstellung hervorschießt, die sie seit dem Ende des III. Reichs eingenommen hatte, um das fremdgegangene Rot wieder ihrem Monopol, ihrem imperium, einzuverleiben — zu einem Vehikel der autoritären Macht sowie der Entmündigung und Bevormundung, des Potenzialraubs und des inquisitorischen Terrors instrumentalisiert worden war, hatte der protestantische Konkurrenzbetrieb eigentlich nur ... einen äusserst seltsamen, sozusagen "exklusiven Kommunismus" entgegenzusetzen gehabt (es war noch einmal Hugo Ball, der in seiner Kritik der deutschen Intelligenz den schräg-parallelen Werdegang von Luthers eigentlich antisozialer, als erstes schon einmal den Bauernaufstand unter der sicherlich noch nicht "gay" besetzten Regenbogenfahne des Thomas Münzer ans Messer liefernden Reformation — die die weltliche und geistliche Macht auf ein bei den Landesfürsten liegendes Super-Monopol vereinte bzw. "kommunisierte" — bis zum autoritären Marxismus nachgezeichnet hat ... und er lebte leider bzw. eigentlich glücklicherweise nicht lange genug, um auch noch das Fiasko des Nationalsozialismus zu erleben).
Heute, etliche Jahre nach der Öffnung der Mauer, die die Menschen vor dem Davonlaufen aus der protestantischen, stalinistisch-kommunistisch besetzten und SED-Einheitspartei- bzw. Stasi- regierten "Ausnahmezustandszone Ost" verhindern sollte, nachdem die DDR am 3. Oktober 1990 der BRD beigetreten ist und diese mit ihrem "besseren Deutschtum", d. h. der in der DDR ungleich ungewandelter als im weltoffenen Westen erhalten gebliebenen Einbildung, man sei dort die legitime Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs per anno 1945, jedenfalls mit ihrer ganz besonderen Staats-Expertise infiltriert bzw. hinter den Kulissen vielleicht sogar schon übernommen hat (es ist doch zumindest äusserst eigenartig, wenn diverse deutsche Richterbünde seit Jahren Alarm zu schlagen und die eigentlich grundgesetzlich verankerte Gewaltenteilung gegenüber der Richter wie Staatsanwälte dampfwalzenmäßig niederbügelnden neuen "Einheit" von Exekutive und Judikative einzufordern versuchen und keiner sie hört), versucht eine protestantische, sich seit 2005 an der Macht befindliche und von einer ehemaligen DDR- Agitations- und Propaganda- Funktionärin gekrönte Elite mit bewährten — um nicht zu sagen uralten — und von industriellen Klientelgruppen auf das Massivste im Sinne von Wahlkampfhilfen gesponserten public relations- Tricks, sich jener alten (Konkurrenz-) Fahne zu bemächtigen und sie zu ihren ... imperialen ... Zwecken in Konkurrenz zu den gleichermaßen gearteten Bestrebungen der römisch-katholischen wie auch der sozialdemokratischen Mitbewerber zu monopolisieren. Alles in allem scheint es ihr bei einem gleichgebliebenen, nämlich auf einen eisernen Egoismus eingeschränkten und mit allen möglichen Schiebereien zur Dominanz gebrachten Gemeinsinn zu gelingen.
Den Preis dafür darf der geblendete bzw. in einem DDR-mäßig als "alternativlos" dekretierten, doch bereits vom "staatlichen Hoheitszeichen" (das diese Fahne, sobald sie auch vom Bundesadler abgezogen ist wie vom 1990 hinfällig gewordenen Hammer-und-Zirkel-Emblem, wie es dann anno 2006 anlässlich der in Deutschland ausgetragenen und von einem schwarzrotgoldenen "Fahnenmeer" gekennzeichneten Fußball-WM der Fall war, nur in einem neuen, allerdings noch von niemandem offiziell deklarierten, de facto jedoch — siehe oben — nur mit einem krassen Ausnahmezustandsregime wirklich zutreffend bezeichneten) "an höchster Stelle irreversibel vorgegebenen" Ausnahmezustand fixierte Rest bezahlen ("warum isser auch so blöd?"); wo der Gewinn aus der Ausnehmerei hingeht, bleibt weitgehend unbekannt.
Da die Deutschen in der Regel durchaus den größten Respekt vor dieser Fahne haben, von deren Erkenntnis sie "proaktiv" ausgeschlossen und daher gemäß der Gesetzmäßigkeit der Ausnahme blind in sie eingeschlossen sind und immer wieder auf sie in dem Sinn hereinfallen, dass sie sich wie ein in seinen Rechten anerkannter subjectus supreaneus ("der, der zugleich unten und ganz oben ist", also der Staatsbürger, wie er an sich im Grundgesetz steht, welches sich jedoch leider von den Mächtigen — im Ausnahmezustand — in seiner Anwendung suspendieren lässt) lässt sich mit ihr gewiss auch das nächste Horror-Regime par excellence noch bzw. wieder herbeiführen und sein Aufsteigen so lange kaschieren, bis es wieder für alles zu spät ist.
Es muss daher in diesen Farben ein Hebel umgelegt werden, um eine Alternative zu jenem fatalen Trend zu etablieren, d. h., da es sich hierbei um ein paradigmatisches Bild des Ausnahmezustands handelt, eine "souveräne Entscheidung" getroffen werden gemäß dem Verdikt des (übrigens in seinen Leitlinien und Lehren gerade von jener genannten Elite als ihrem Guru erachteten, leider aber ausgerechnet in dessen später Erkenntnis von 1963, "die Epoche der Staatlichkeit geht nun zu Ende", proaktiv ignorierten) Staatsrechtlers Carl Schmitt: "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet" (Politische Theologie, 1922) ... eine souveräne Entscheidung mithin, welche sich eben von aller Souveränität abgewandt und dem Wir als die Bresche im Horizont selbst, dem Zu-mehreren-sein (Nancy) zugewandt hat, dem keineswegs von irgendwelchen Grenzen, politischen oder religiösen Identitäten eingeschränkten Mit-Sein (Nancy), welches "entschieden nicht das Substrat des Seienden in toto ist, sondern vielmehr die Existierenden gemeinsam auf den Weg bringt, mit zu sein mit allen (den Menschen, Tieren, Pflanzen, Lebenden und Toten, Elektronen, Galaxien ...) (Nancy 1, S. 12).
Hierzu ist das über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten geführte, lange Zeit unbekannte und erst vom italienischen Herausgeber der Gesammelten Werke Walter Benjamins, Giorgio Agamben, wiederentdeckte Geheimdossier zwischen Schmitt und Benjamin heranzuziehen, bei dem es sich um eine Auseinandersetzung um den Ausnahmezustand selbst handelt, die sich erst in der posthum nach Benjamins tragischem Tod 1942 veröffentlichten (und kurz zuvor verfassten) Geschichtsphilosophischen These Nr. 8 löst: "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, dass der 'Ausnahmezustand', in dem wir leben, die Regel ist. Wir müssen zu einem Begriff der Geschichte kommen, der dem entspricht. Dann wird uns als unsere Aufgabe die Herbeiführung des wirklichen Ausnahmezustands vor Augen stehen; und dadurch wird unsere Position im Kampf gegen den Faschismus sich verbessern. Dessen Chance besteht nicht zuletzt darin, dass die Gegner ihm im Namen des Fortschritts als einer historischen Norm begegnen. — Das Staunen darüber, dass die Dinge, die wir erleben, im zwanzigsten Jahrhundert "noch" möglich sind, ist kein philosophisches. Es steht nicht am Anfang einer Erkenntnis, es sei denn der, dass die Vorstellung von Geschichte, aus der es stammt, nicht zu halten ist."
Eine Neufassung des Bildes des "'Ausnahmezustand(s)', der die Regel ist, in dem wir leben", besteht also in der Visualisierung des "wirklichen Ausnahmezustands".
Und wenn es sich dabei nur darum handeln kann, das "geheime Band (...), das die Macht an das Leben bindet" (Agamben 2, S. 16) und welches der hier dargelegten These gemäß in der beschriebenen Fahne "SchwarzRotGold von 1848" zur Darstellung gekommen ist, zu lösen, so kann bzw. muss jene Darstellung des "wirklichen Ausnahmezustands" auch in diesen Farben geschehen: Durch eine gleichzeitige, simultane Ent-setzung und Neufassung ihrer einzelnen Elemente zu einem Bild des Mit, "(...) ein kontinuierlich-diskontinuierlich gezogener Strich, der das >Zusammen< des ontologischen Bereichs, das als das >Mit< des Seins, des Singulären und des Pluralen bezeichnete >Mit-sich-selbst-sein<, skizziert und der Ontologie auf einen Schlag nicht nur eine andere Bedeutung, sondern eine andere Syntax auferlegt: Der >>Sinn des Seins<< nicht nur als >Sinn des Mit<, sondern auch und vor allem als >Mit< des Sinns. (...)" (Nancy 1)
"Das Mit, seine irreduzible Struktur der Nähe und des Abstands, seine irreduzible Spannung, die es zwischen dem Einen und dem Anderen erzeugt, steht uns erneut bevor und muss gedacht werden: Denn nur mit ergibt Sinn." (Nancy 1, S. 12)
weitere überlegungen
• Vom Medium der Fahne selbst her betrachtet stellt sie eine doppelseitige Einheit dar (bzw. her), eine Gestalt, in der sich auch das linguistische Phänomen als Ganzes wiederspiegelt, wie es innerhalb der abendländischen Tradition der Metaphysik aufgefasst wird; dort kennt man diese als "die doppelte 'signifiance' (Saussure) der Sprache" (welche wiederum E. Beneviste — worauf Agamben 1, S. 292 hinweist — "'semiotische Weise' und 'semantische Weise' nennt, deren eine "erkannt" und die andere "begriffen" werden muss, und zwischen denen es keinen Übergang gibt"). Auch eine Fahne weist also, wie die sprichwörtliche Medaille, "zwei Seiten" auf. (Eine Beobachtung, die sich hinsichtlich des Verständnisses der Rollenverteilung, die der Gebrauch bzw. der Umgang mit einer Fahne mit sich bringt, noch als wertvoll erweisen wird.)
• Als ein aus den Farben der tausendjährigen deutschen Theokratie zusammengesetztes, metaphorisches und romantisches Emblem mit einer von mittelalterlichen Allegorien (in erster Linie ist hier der 'Patron' des 'Heiligen römischen Reiches deutscher Nation' und 'Erzengel' Michael zu nennen) und den entsprechenden (im Falle dieser Michael-Allegorie: metarechtlichen) Mythologemen bestimmten imprese,
• wird sie dann mit der ersten Inauguration als deutsche Trikolore das fertige Dispositiv (der staatsrechtlichen Figur des — deutschen — Ausnahmezustands, bzw. des souveränen Bannes, der nach den Untersuchungen Giorgio Agambens anstelle des Hobbesches Mythologems des Vertrages in Wirklichkeit die originäre juridisch-politische Beziehung im Staat ausmacht) des deutschen Nationalstaats in verschiedenen Stadien (1848, 1919, 1949 und 1991),
das es noch heute ist, und sie muss daher als ein erstarrtes Hoheitszeichen, als ein fossiles Dispositiv gelten, dem von Anfang an jeder offene und freie Geist nicht nur zu weichen hat: gerade ein solcher, gerade der deutsche Gedanke selbst wird, wie noch im Detail darzustellen ist, von ihr, von der deutschen Staatsidee — und sicher auch von ihren gelehrigen Untertanen und Dienern — aufgrund ihrer archaischen Maßgabe (die als solche, wie man nicht erst seit heute weiß, in Wahrheit gar keine ist, der jedoch nur allzu gerne aufgrund der romantischen Gesamtanlage dieser Fahne stattgegeben wird, wenn gerade, wie wohl ein gewisser Herr Badiou sagen würde, keine 'bessere' unendliche Idee herabsteigt in den Bereich des Sinnlichen) gefressen.
Sie stellt, wie zu zeigen sein wird, eine Selbstverschlingung der Regel dar, indem sie durch das Ineinanderfallen zweier vordem getrennter Elemente (die zum einen die Norm oder die Regel verkörpert hatten, wie zum anderen die Ausnahme) eine Zone der Unentscheidbarkeit eröffnet, deren Beherrschung, wie Agamben anhand des von ihm wiederentdeckten Geheimdossiers zwischen Walter Benjamin und Carl Schmitt nachgewiesen hat, tatsächlcih nur durch das Erfinden bzw. das Aufrechterhalten einer fictio iuris zu bewerkstelligen ist — bei der also jede Fiktion eines Bandes zwischen Gewalt und Recht verschwunden ist.
Es stellt sich also durchaus die Frage, ob dies den Zeiten, in denen diese "Farben", wie man Fahnen allgemein auch gern nennt, in Gebrauch waren, jemals wirklich entsprochen hätte, oder ob nicht umgekehrt sie diese Zeiten jeweils mit ihrer fiktiven — nichtsdestotrotz vermittels dieses deutschen Dispositivs aufgepressten — Patronage eines Erzengel Michael mit ihrer Maßlosigkeit und Verdrehung autoritär im Stil der alten, eigentlich längst überkommenen Theokratie weiter geprägt haben.
Es kann jedenfalls heute — allein schon aufgrund des stattgefundenen und sicher auch weiter stattfindenden europäischen Entwicklungsprozesses — nicht mehr darum gehen, die alten Differenzen zum Rest der Welt mutwillig zu erneuern, oder die Synapsen vor Ort kurzzuschließen, wie es gewesen sein muss, als diese deutsche Fahne einst (übrigens — durchaus bezeichnenderweise — gegen die Regeln der Heraldik) zusammengefügt worden war.
Und es kann auch nicht angehen, dass die stets gewalttätigen, immer auf infame Demagogie (sowie automatisch ein Heer von Helfern in den Amtsstuben und Straßen) angewiesenen Anhänger jener alten, mehr schlecht als recht von "christlicher" Geistlichkeit dominierten germanisch-christlichen Kaiser-Archaik nach einer langen Phase des Verbergens und Abwartens heute erneut aus ihrem Versteck hinter den stumpfsinnigen Masken der Mächtigen (Vgl.: Zitat G. Agamben auf der Fahne, links) hervorbrechen, wie dies eine enorm mächtige gesellschaftliche Elite in einer Bewegung der Restauration seit dem letzten Krieg des "3. Reichs" fortplant und ungerührt weiter betreibt: Da, wie sich zeigt, das Rot im Dispositiv der deutschen Trikolore sowohl die Position der Ausnahme innehat als auch von der ekklesiastischen (Staats- und/oder Reichs-)Doktrin her als Ausnahme, nämlich als "die Farbe Michaels" (s. u.) gehandelt wird, ist über das klandestine, kryptische Besetzen dieser Farbe bzw. dem eifersüchtigen (Zurück-)Erobern jener nur scheinbar vom normalen Menschenverstand her als überkommen erachteten, in Wirklichkeit jedoch seit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Wende wieder auf das Eifersüchtigste (und, wie sich anhand der nicht zuletzt anhand dieses Briefings im Sinnlichen entstandenen Neuschöpfung zeigen wird, auf das Gewalttätigste) einen unbedingten Monopolstatus erheischenden Deutungshoheit vonseiten einer brandaktuellen, brandgefährlichen, so "rückwärts" wie eh und je gewandten, überaus mächtigen, ganz allgemeinen Gegenreformation (die, unter vielen anderen, dann auch wieder sowohl Katholiken als Protestanten dahinrafft) sehr viel möglich in Deutschland. — Namentlich, wie es ja schon einmal der Fall war, ein flugs und unter dem Applaus der von ihr Verführten wie auch der Verführer errichtetes, offen autoritäres Regime.
Das deutsche Hoheitszeichen Schwarz-Rot-Gold ist als das semiologisch/semantische Leitmotiv, als das spezifische Dispositiv des Landes das unweigerliche Gesinnungs-Sprungbrett zu derlei Ausgang, schon immer gewesen.
ausnahme der ausnahme
Kann mit den — dabei sicherlich revolutionierten — Farben dieser deutschen Fahne eine Entsetzung des Rechts aus den Fängen der Gewalt, eine Ausnahme der Ausnahme, ein Ereignis im Offenen der Präsenz, eine immanente Ausnahme dargestellt werden, um über eine solch zeitgemäße Übersetzung in einem allgemeinen Jetzt der Lesbar- oder Erkennbarkeit zu einem neuen, anderen, nicht-totalitären, nicht-ekklesiastischen, nicht-dogmatischen, nicht-staatlichen, zu einem kommenden historischen Index zu gelangen?
In einer Notiz Benjamins steht: "Nicht so ist es, dass das Vergangene sein Licht auf das Gegenwärtige oder das Gegenwärtige sein Licht auf das Vergangene wirft, sondern Bild ist dasjenige, worin das Gewesene mit dem Jetzt blitzhaft zu einer Konstellation zusammentritt. Mit anderen Worten: Bild ist die Dialektik im Stillstand. Denn während die Beziehung der Gegenwart zur Vergangenheit eine rein zeitliche ist, ist die des Gewesnen zum Jetzt eine dialektische: nicht zeitlicher, sondern bildlicher Natur. Nur dialektische Bilder sind echt geschichtliche, d.h. nicht archaische Bilder." (zitiert nach Agamben 4, S. 162)
Die Aufgabe, die sich also hier hinsichtlich der Bildmittel stellt, liegt im Auffinden einer grafischen Sprache, die geeignet ist, den scheinbar paradoxalen Widerspruch aufzunehmen und in seiner Realisierung oder Erfüllung auszudrücken, den die Spannung in der Formel Dialektik im Stillstand im Gegensatz zur inneren Dynamik des Begriffs der Dialektik als solchem darzustellen scheint: Eine grafische Sprache, die die Darstellung einer immanenten Ausnahme erlaubt.
Hier ist die Lösung zu finden, und sie wird auf wunderbare Weise vom Denker des Affirmationismus, Alain Badiou, selbst so formuliert: Die dialektische Idee ist die einer immanenten Ausnahme (Ders. 1, S. 44).
• Das in der kompress zu einem Dispositiv der Ausnahme gesetzten deutschen Fahne über den ekklesiastisch-dogmatischen Anspruch als "exklusiv deutsch" denotierte — und damit auch weiter, wie dies bereits im mittelalterlichen Reich mit dem separat vom schwarz-gelben, kaiserlichen Reichspanier existierenden roten Blutbanner der Fall gewesen war, ausgenommene und autoritär beanspruchte, in den nationalstaatlich-souveränen Dreifarb geschlagene — Rot, die unsichtbare, da politisierte, von der Politik in Beschlag genommene und restlos aufgesogene Artikulation des nackten¹, wirklichen², bloßen³ (¹Giorgio Agamben; ²Carl Schmitt; ³Walter Benjamin) Lebens in der Hand des Patrons des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation und Deutschlands, Michael ("dessen Farbe Rot ist in all seinen Schattierungen", wie es in der ekklesiastisch-christlichen Dogmatik heisst),
• muss in die mögliche Gemeinschaft von Denken und Dichten,
• in eine Lebens-Form der Potenz entsetzt werden, um es aus jener vielfachen, jeweilig jedoch immer fatalen Denotation herauszunehmen
• und es dem Konnotativen des Offenen zurückzuerstatten:
• Darin lässt sich die Evolution und — mit den Worten Jean-Luc Nancy's die Laïzität — neu erfinden: Nur durch echtes Schöpfen, d. h . durch ein sich-aufs-Siel-setzen im Offenen, durch ein Schöpfen der Idee, um es mit Badiou zu sagen, im Sinnlichen (anstelle der sinnlichen Form einer vorgeordneten Idee).
• Es muss, mit anderen Worten, das Bild des wirklichen Ausnahmezustands (W. Benjamin, Geschichtsphilosophische Thesen, Nr. 8) geschaffen werden, das dieses Schöpfen von nicht-vorgeordneten Ideen im Sinnlichen darstellt.
• Durch ihre quasi als master visual des souveränen Banns gruppierte Anlage — die das Dispositiv des 'Ausnahmezustands' in seiner Reinform visualisiert — eignet sich die deutsche Fahne beispielhaft, die darin zugleich aufgehobene (in beiderlei Bedeutungen dieses die Dialektik begründenden Wortes) und ausgenommene (ebenfalls in beiderlei möglichen Wortbedeutungen) Beziehung und Verdinglichung des Lebensbegriffs durch eine Überwindung ihrer eigenen Bildmittel einer prozessualen Anschauung, der Darstellung einer höheren Ordnung zuzuführen, in der sowohl jener souveräne Bann als auch das — folglich — permanent von einer verselbständigten Exekutive im Dienste des Mythos annektierte staatliche Band in einer sinnfälligen Entsetzung gelöst sind:
• Das entstehende Motiv soll das Bild des 'Ausnahmezustandes' (der zur Regel geworden ist) aufheben und somit die Ausnahme der Ausnahme ausdrücken (Vgl. auch: Aufhebung der Aufhebung bei Agamben), den "wirklichen Ausnahmezustand" (Benjamin) darstellen: Die immanente Ausnahme als Bild.
• Dass diese (visuelle) Deaktivierung des (semiologischen) Dispositivs des 'Ausnahmezustands' das Bild des "wirklichen Ausnahmezustands" (Benjamin), oder, dann mit den Worten des Apostels Paulus, das Bild des Gesetzes des Glaubens bzw. einer Gerechtigkeit ohne Gesetz ist, besagt nicht, dass dies "die Negation, sondern die Realisierung und Erfüllung — das plérõma — des Gesetzes" (Agamben 4, S. 121) ist ... welches somit in Deutschland unter der alten Fahne SchwarzRotGold — die im Interesse des souveränen Banns derlei unterschlägt und es eben so konsequent wie resolut diesem Bann zu unterwerfen trachtet, es mithin ausschließt und zugleich gefangen hält — folglich als das höchste und absoluteste, als das strengste Tabu gelten muss, das, überdies, nur der Papst in Rom allein zu garantieren vermag und ... garantiert.
(Das 1933 von Pius XII. mit Hitler geschlossene Reichskonkordat wird gewiss nicht umsonst als ein noch heute gültiger Vertrag betrachtet.)